Trennen sich Eltern mit minderjährigen Kindern, geht es häufig um Fragen der Kinderbetreuung und des Kindesunterhalts. Dabei äußern Eltern oft den Wunsch, das sogenannte Wechselmodell zu praktizieren, um sich Zeit und Aufgaben zu teilen. Dieser Wunsch ist jedoch manchmal einseitig und berücksichtigt nicht immer das Kindeswohl – was mitunter auch finanzielle Gründe haben kann.

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2017 mehren sich Verfahren, in denen das Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden soll. Doch ist das Wechselmodell wirklich die beste Lösung? Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag, wie sich die Gerichte zu diesem Thema positionieren und welche Alternativen zur gerichtlichen Regelung es gibt.

Das Kindeswohl ist entscheidend

Die Entscheidungsgrundlage bei allen richterlichen Anordnungen rund um Sorgerecht und Umgang soll immer das Kindeswohl sein. Und doch leidet gerade das Kindeswohl darunter, wenn gerichtlich mit Hilfe von Sachverständigen ergründet wird, was ihm dient.

Das liegt vor allem daran, dass die mehr oder weniger versteckte Einflussnahme auf das Kind seitens der Eltern in diesem Moment meist schon begonnen hat. Dabei sollte klar sein, dass es Kindern, die sich in Loyalitätskonflikten befinden, grundsätzlich nicht gut gehen kann.

Ist das Wechselmodell immer die beste Lösung?

Die Rechtsprechung ist in der Frage eisern und der Gesetzgeber hat bislang versäumt, klare Regelungen zum Wohl der Kinder – und auch der unterhaltspflichtigen Eltern – zu schaffen. Denn es gilt das Prinzip „Alles oder nichts“: Der Elternteil, bei dem die Kinder ihren Lebensmittelpunkt haben, ist lediglich naturalunterhaltsverpflichtet. Er muss also für Nahrung, Kleidung etc. sorgen, aber keinen Barunterhalt leisten. Der andere Elternteil ist nach der standardmäßig herangezogenen Düsseldorfer Tabelle in voller Höhe barunterhaltspflichtig. Er muss also Kindesunterhalt in Form von Geld zahlen.

Das gilt auch, wenn ein Elternteil die Kinder beispielsweise zu 45 Prozent der Zeit betreut. Wegen der minimalen Abweichung muss er dennoch den gesamten Kindesunterhalt zahlen. Und das, obwohl er selbst ebenfalls für Nahrung sorgt und eine entsprechend große Wohnung vorhalten muss, in der er die Kinder betreuen kann.

Im Wechselmodell, bei dem beide Eltern die Kinder je zur Hälfte der Zeit versorgen, sind beide Eltern sowohl bar- als auch naturalunterhaltspflichtig. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Eltern bei einem „echten“ Wechselmodell jeweils auch für den Barunterhalt einzustehen haben und nicht nur Naturalunterhalt schulden (BGH v. 11.01.2017 – XII ZB 565/15FamRZ 2017, 437). Das kann sich für den ansonsten allein barunterhaltspflichtigen Elternteil finanziell lohnen beziehungsweise für den anderen nachteilig auswirken.

Damit wird klar: Der eigentliche Anlass für den Streit um das Wechselmodell ist oft nicht das Kindeswohl, sondern das Finanzielle. Da der Gesetzgeber bislang nicht gehandelt und sachgerechtere gesetzliche Lösungen erarbeitet hat, muss die Rechtsprechung eine Richtung vorgeben.

Gerichte präferieren das Wechselmodell – oder auch nicht

Laut der grundsätzlichen Rechtsprechung des BGH (01.02.2017 – XII ZB 601/15) kann das Wechselmodell unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass es dem Kindeswohl dient.

Maßgeblich sind demnach

  • die Erziehungseignung der Eltern
  • die Bindungen des Kindes
  • die Rahmenbedingungen (örtliche Nähe, Schule usw.)
  • eine bestehende Kommunikation- und Kooperationsbereitschaft der Eltern, denn ein Wechselmodell stellt deutlich höhere Anforderungen an die Koordinierung als normale Umgangskontakte. Nicht zulässig ist es, die Kooperationsbereitschaft der Eltern erst durch das Wechselmodell zu schaffen.

(Kriterien zitiert nach Viefhues in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1612 BGB (Stand: 16.12.2020), Rn. 24)

Diese Entscheidung ist auf viel Interesse, aber auch auf Kritik gestoßen. Der BGH möchte diese Fragen im Rahmen des Umgangsverfahrens entschieden wissen. Verschiedene Oberlandesgerichte sehen das jedoch anders (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.01.2020 – 2 UF 301/19; OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.03.2020 – 15 UF 68/17).

So zweifeln sie zum Beispiel an, inwieweit die (mitunter auch mutwillig verschlechterte) Kommunikationsfähigkeit der Eltern zur Voraussetzung für die Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils werden kann. Zudem ist die prozessuale Einbettung streitig, also die Frage, ob die Sache im Rahmen des Umgangsverfahrens oder beim Recht auf Aufenthaltsbestimmung (Sorgerecht) zu entscheiden ist.

Die offenen Fragen zeigen, wie schwierig es ist, diesbezügliche Regelungen zu finden. Klar ist dabei eigentlich nur, dass das Kindeswohl unter einem Gerichtsverfahren leiden wird.

Wer soll über das Wohl des Kindes entscheiden?

Gerichtsverfahren, in denen um das Kindeswohl gestritten wird, sind paradox. Soll es um das Wohl des Kindes gehen, sind andere Verfahren zur Klärung des Aufenthalts und der finanziellen Versorgung wesentlich besser geeignet. Dabei kann den Eltern auch die Sorge genommen werden, bei Unterhaltsentscheidungen eventuell benachteiligt zu werden. Denn auch wenn die Eltern nicht rechtswirksam auf Kindesunterhalt verzichten können, lässt sich so doch im Rahmen des rechtlich Möglichen an Lösungen zum Wohle aller Beteiligten arbeiten.

Mediation zur Ermittlung des Kindeswohles

Ein Verfahren, das bei der Bearbeitung von Konflikten helfen kann, ist die Mediation. Viele Gerichte haben dieses Potenzial bereits erkannt und empfehlen daher, sich bei Sorgerechts-, Umgangs- und Unterhaltsfragen außergerichtlich zu einigen. Damit tragen in erster Linie die Eltern selbst die Verantwortung, über das Wohl ihrer Kinder zu entscheiden.

Unserer Erfahrung nach nimmt eine zwischen den Eltern geschlossene einvernehmliche Regelung – egal, wie sie im Ergebnis ausfällt – den Druck von Eltern und Kind.