Eine Kindesentführung ist eine der schlimmsten Situationen, in die Eltern (und natürlich auch Kinder) geraten können. Nimmt ein Elternteil das eigene Kind gegen den Willen des anderen Elternteils mit oder bringt es nicht mehr zurück, handelt er meist aus tiefer Verzweiflung.

Eine Kindesentführung ist meist eine Kurzschlussreaktion

Die Gründe sind dabei oft in der zerbrochenen Beziehung zu suchen. Oft kann ein Elternteil die Trennung nicht verarbeiten. Er fühlt sich hilflos und ist dadurch nicht mehr in der Lage, adäquat auf die veränderte Situation zu reagieren. Die Entführung des eigenen Kindes kann also eine Kurzschlussreaktion sein: Ein Elternteil macht damit auf seine unterdrückten oder nicht verarbeiteten Gefühle aufmerksam.

Gehören die Eheleute verschiedenen Nationalitäten an, kann es sein, dass ein Partner in seine alte Heimat zurückkehren will. Die weitreichende Entscheidung, das Land zusammen mit dem Kind zu verlassen, darf er aber nicht ohne den anderen Elternteil treffen. Zum einen ist es für das Kind eine extreme Belastung, wenn es aus seiner gewohnten Umgebung gerissen wird. Das Kind weiß dann mitunter nicht einmal, ob und wann es den anderen Elternteil wiedersieht.

Zum anderen ist die Rechtslage eindeutig: Bei einer internationalen Kindesentführung ordnet das Gericht in aller Regel eine Rückführung an.

Die rechtlichen Aspekte bei der Entführung eines Kindes

Rechtlich stellen die beiden eingangs geschilderten Verhaltensweisen, also das nicht erlaubte Mitnehmen beziehungsweise Verbringen und das Zurückhalten gegen den Willen eines Elternteils, eine Kindesentführung dar. Durch die internationalen Rechtsvorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (kurz: HKÜ) vom 25. Oktober 1980 ist eine schnelle Rückführung des Kindes in das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts möglich.

Voraussetzung dafür ist allerding, dass das Kind unter 16 Jahre alt ist und ein Elternteil die Rückführung beantragt. Dem HKÜ sind zahlreiche, auch nicht europäische Länder beigetreten, die auf der Basis dieses Abkommens bei internationalen Kindesentführungen zusammenarbeiten.

Mediation als Chance bei Konflikten zwischen den Eltern

Mit einer gerichtlich angeordneten Rückführung ist der Konflikt zwischen den Eltern nicht beendet. Er geht nur in die zweite Runde. Selten akzeptiert der Elternteil die Ent- und Rückführung. Das setzt manchmal eine Spirale von Verletzungen, Angst und gegenseitigen Schuldzuweisungen in Gang. Darunter leiden die Schwächsten am meisten: die Kinder.

Dies ist die traurige Realität, von der ich als Rechtsanwältin in zahlreichen HKÜ-Verfahren berichten kann. Es geht in diesen Verfahren, ganz technisch gesehen, nämllich nur um die Rückführung des Kindes. Die anderen Konfliktpunkte, also die sprachliche und religiöse Erziehung des Kindes, Unterhalt oder Vereinbarungen über den Kontakt zur Familie des anderen Elternteils, bleiben ungelöst. Diese Fragen müssen jedoch auch irgendwann geklärt werden.

Wie lässt sich die Kommunikation wieder herstellen?

Mit der Unterstützung durch einen Mediator oder ein Mediatorenpaar (Mann und Frau) kann wieder eine Kommunikation zwischen den Eltern stattfinden. Diese haben dann die Chance, durch das Mediationsverfahren wieder gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Mit Hilfe des Mediators lassen sich die hinter den als negativ empfundenen Gefühlen (Verzweiflung, Angst, Wut, Trauer) steckenden Bedürfnisse herausarbeiten. Der Mediator ruft dazu den Eltern immer wieder das Wohl des Kindes ins Bewusstsein.

Anders als im Gerichtsverfahren lassen sich im Rahmen einer Mediation die vielen Aspekte, die eine Trennung mit sich bringt, besprechen. Dazu zählt beispielsweise die Frage, in welche Schule das Kind gehen soll.

Besteht die Angst, dass sich eine Kindesentführung wiederholt, kann auch ein begleiteter Umgang vereinbart werden. In der Mediation können die Eltern eine einvernehmliche Lösung für ihren Konflikt finden. Das sorgt dann dauerhaft für Frieden.

Weitere Informationen zum Thema Kindesentführung finden Sie auch unter MiKK e.V. Mediation bei internationalen Kindschaftskonflikten.